Beschluss: mehrheitlich beschlossen

Abstimmung: Ja: 33, Nein: 3

Sachvortrag:

 

Im Geltungsbereich des Bebauungs- und Grünordnungsplanes „An der Dr.-Kumpfmüller-Straße“ (Nr. 216) werden derzeit Erschließungsmaßnahmen durchgeführt. Die neue Straße, die an die Dr.-Kumpfmüller-Straße anbindet, ist im Lageplan in der Anlage in blauer Farbe markiert. Die ersten Bauanträge für Bauvorhaben im Geltungsbereich des Bebauungs- und Grünordnungsplanes liegen vor. Um eine satzungskonforme Hausnummerierung vornehmen zu können, ist die Vergabe eines neuen Straßennamens notwendig.

 

Die Straßen in der näheren Umgebung des Baugebietes wurden nicht nach einheitlichen Gesichtspunkten benannt, so dass diesbezüglich keine Einschränkungen bei der Namenswahl bestehen. Vor mehreren Jahren wurde vorgeschlagen, Straßen nach Frau Katharina Rähr und Frau Antonie "Toni" Pfülf zu benennen. Beide Vorschläge sind mit den Grundsätzen und Kriterien der Richtlinie zur Benennung von Straßen und Plätzen in der Stadt Straubing vereinbar. Zudem würde bei einer Benennung dem Umstand Rechnung getragen werden, dass Frauen bei den Straßennamen bislang unterpräsentiert sind.

 

Frau Katharina Antonia Rähr, geb. Wendl, wurde am 12.11.1909 in Straubing geboren. Sie besuchte die Volkshauptschule St. Jakob und die Volksfortbildungsschule und arbeitete in Geschäften der Straubinger Innenstadt. Im Jahr 1929 trat sie in die SPD ein und verschrieb sich dem Kampf gegen soziale Ungerechtigkeit. Sie blieb auch nach dem Verbot der Partei durch die Nationalsozialisten Mitglied in parteinahen Vereinen. Im Jahr 1934 heiratete sie Rudolf Franz Rähr. Während des Zweiten Weltkrieges sammelte sie Geld, um Familien, deren Väter an der Front oder eingesperrt waren, zu unterstützen. Am 15.09.1945 wurde der SPD-Ortsverein wiedergegründet. Am 27.09.1945 wurde sie wieder Mitglied, im Dezember 1945 trat sie der Arbeiterwohlfahrt bei, außerdem dem Volkschor. Am 26.05.1946 wurde sie als einzige Frau in den Straubinger Stadtrat gewählt und behauptete ihren Sitz für die SPD in allen weiteren Stadtratswahlen bis zu ihrem freiwilligen Ausscheiden im Jahr 1966. Bis zu ihrem Lebensende hatten ihr Rat und ihr Wort in der Politik und in der Öffentlichkeit großes Gewicht. In ihren 20 Jahren Stadtratstätigkeit wurde sie zu einer allseits und über die Parteigrenzen hinweg außerordentlich anerkannten kommunalpolitischen Persönlichkeit, die sich mit nimmermüden Einsatz vor allem auf den so wichtigen sozialen Feldern der Nachkriegszeit betätigte. Zu den Schwerpunkten ihrer politischen Arbeit gehörten die Bereitstellung von Wohnraum für Flüchtlinge und Heimatvertriebene, die Beschaffung von neuen Wohnungen, die Bereitstellung von Mitteln durch die Sparkasse, das Waisenhaus und die Gründung eines Schülerinnenheims im Jahr 1956 sowie die Einrichtung von Kindergärten und Kinderspielplätzen. Hervorzuheben ist, dass die Mutter von zwei Söhnen abends stundenlang ratsuchende und notleidende Menschen in ihrer Wohnung empfing. Als Mitglied des Sparkassenausschusses, des Aufsichtsrates der Städtischen Wohnungsbau GmbH und als Verwaltungsrätin für Kindergartenfragen und das Waisenhaus gelang es ihr dank großer Überzeugungskraft, Zähigkeit und Zielstrebigkeit wesentliche Beiträge zu Überwindung der Nachkriegsnot und zur Aufwärtsentwicklung Straubings zu leisten. Zudem engagierte sie sich sehr stark für Kinder. „Nebenbei“ arbeitete sie in einem Bettengeschäft und zog ihre zwei Söhne groß. Ihre Emotionalität, Sturheit, ja Grobheit, wenn sie bei einem sozialen Anliegen auf Widerstände stieß, waren bekannt. Aufgrund ihres außergewöhnlichen Engagements im Rahmen der Straubinger Kommunalpolitik, aber auch mit Blick auf ihre Verbundenheit mit gesellschaftlichen Vereinigungen wie der Arbeiterwohlfahrt und dem Volkschor, verlieh ihr der Stadtrat im Dezember 1966 als erster Frau die Goldene Bürgermedaille. In der Laudatio hob Oberbürgermeister Hermann Stiefvater den „ausgeprägten Gerechtigkeitssinn“, die „Zähigkeit und Ausdauer“, das „mütterliche Herz“ Katharina Rährs hervor: „Ich weiß, dass die Sorgen dieser armen Menschen Ihre eigenen waren...“. Katharina Rähr verstarb am 03.03.1986 im Alter von 77 Jahren.

 

Bisher wurde keine Straße nach Frau Rähr benannt. Ihre Angehörigen wären mit einer Benennung einverstanden. Über Frau Rähr befinden sich in den personenbezogenen Beständen des Bundesarchivs keine Unterlagen.

 

Frau Antonie "Toni" Pfülf, geboren am 14.12.1877 in Metz, war eine deutsche Politikerin. Als junge Frau trat sie der SPD bei. Von Januar 1919 bis Juni 1920 gehörte sie der Weimarer Nationalversammlung an. Bei der Reichstagswahl im Juni 1920 wurde sie als Kandidatin ihrer Partei in den Reichstag gewählt. Sie setzte sich während ihrer Abgeordnetenzeit für die gleichen Chancen von Jungen und Mädchen in Schule und Ausbildung ein und war an der Aushandlung des Weimarer Schulkompromisses beteiligt. Als Mitglied der Programmkommission ihrer Partei trug sie dazu bei, dass die SPD in ihr Heidelberger Programm (1925) erste Ansätze einer Frauenquote aufnahm. Ende der 1920er Jahre gehörte Pfülf zu den entschiedensten Befürwortern einer energischeren Bekämpfung des Nationalsozialismus in den Reihen der Sozialdemokratie. Das bedeutendste parlamentarische Ereignis, an dem sie während ihrer Abgeordnetenzeit teilhatte, war die Verabschiedung des Ermächtigungsgesetzes im März 1933. Sie stimmte als eine von 94 Abgeordneten gegen das Gesetz. Vor der Reichstagssitzung vom 17.05.1933, als das Parlament Adolf Hitlers außenpolitischem Konzept zustimmen sollte, votierte sie gegen die Teilnahme der (verbliebenen) sozialdemokratischen Abgeordneten, um dem Regime nicht als „parlamentarisches Feigenblatt“ zu dienen. Aus Verzweiflung über die Vergeblichkeit dieses Vorstoßes und über die allgemeine politische Entwicklung unternahm sie einen Tag später einen ersten Selbstmordversuch. Nach einem Aufruf zum Widerstand wurde sie kurze Zeit inhaftiert. Am 08.06.1933 nahm sie sich in München das Leben.

 

Nach Frau Pfülf wurden beispielsweise in München (Toni-Pfülf-Straße) und Regensburg (Toni-Pfülf-Weg) Straßen benannt.

 

Bei Frau Rähr und Frau Pfülf handelt es sich um Personen, die würdig sind, geehrt zu werden, weil ihre Haltung und ihr Lebenswerk eine Vorbildfunktion für die aktuelle wie auch für nachfolgende Generationen darstellt. Frau Pfülf hat anders als Frau Rähr, deren gesamtes Wirken in Straubing stattfand, keinen direkten Bezug zu Straubing, war aber bundesweit eine wichtige Vorkämpferin für Frauenrechte und Bildung.

 

Die Zuständigkeit für die Namensgebung liegt beim Stadtrat, da mit der Benennung nach einer der beiden Personen eine persönliche Ehrung mit zeitgeschichtlichem Bezug verbunden ist.

 

Der Bau- und Planungsausschuss hat die Thematik in seiner Sitzung vom 19.01.2022 vorberaten und einstimmig den Empfehlungsbeschluss gefasst, für die neue Straße den Straßennamen „Katharina-Rähr-Straße“ zu vergeben.

 

Im Rahmen der Aussprache beantragt Herr Stadtrat Dr. Herpich, über die Vergabe des Straßennamens in dieser Sitzung in dieser Sitzung nicht abzustimmen. Stattdessen spricht er sich dafür aus, die Straße nach einem in früherer Zeit im Ortsteil Ittling wirkendenden Pfarrer „Sebastian-Gerlspeck-Straße“ zu nennen.

 

Der Antrag, über den TOP nicht abzustimmen, wird vom Gremium mit 3.33 Stimmen mehrheitlich abgelehnt.

 


Beschluss:

 

Entsprechend der Empfehlung des Bau- und Planungsausschusses vergibt der Stadtrat den Straßennamen „Katharina-Rähr-Straße“ für die neue Straße im Geltungsbereich des Bebauungs- und Grünordnungsplanes „An der Dr.-Kumpfmüller-Straße“ (Nr. 216).


Abstimmungsergebnis:

- mehrheitlich beschlossen -

Verteiler:

15

(33:3)